Vorhersage von Schraubenlockerungen mittels automatisierter biomechanischer Simulationen

Über traditionelle Knochendichte hinaus: Ein intelligenterer Weg zur Vorhersage chirurgischer Komplikationen
 

Bei der chirurgischen Wirbelsäulenversteifung werden Schrauben in die Wirbel gesetzt, um die Wirbelsäule zu stabilisieren. Obwohl dieses Verfahren jährlich Millionen von Patienten hilft, ist die Schraubenlockerung eine häufige Komplikation, die zu anhaltenden Schmerzen und der Notwendigkeit weiterer Operationen führen kann.

Traditionell haben Ärzte auf manuelle Messungen der Knochendichte aus dem CT vertraut, um abzuschätzen, welche Schrauben sich lockern könnten. Die Logik ist einfach: Dichterer, stärkerer Knochen sollte Schrauben besser halten. Wir haben einen ausgereifteren Ansatz entwickelt, der nicht nur die Knochenqualität, sondern auch die auf jede Schraube wirkenden Kräfte berücksichtigt und vollautomatisch eine Risikoschätzung liefert.


A Comprehensive Biomechanical Model

Ausgehend von einem präoperativen CT-Scan und Angaben zum geplanten Eingriff führt unsere automatisierte Pipeline folgende Schritte durch:

1. Analyse patientenspezifischer Anatomie und Kräfte

Das Modell untersucht zunächst die CT-Bilder, um die Wirbelsäulengeometrie, -ausrichtung und -krümmung des Patienten zu verstehen. Mittels muskuloskelettaler Modellierung berechnet es dann die Kräfte, die auf die Wirbelsäule jeder Person wirken, basierend auf Körpergewicht, Haltung und der spezifischen Konfiguration ihres geplanten Fusionskonstrukts.

2. Räumliche Abbildung der Knocheneigenschaften

Das System wandelt CT-Messungen in eine detailierte Abbildung der mechanischen Festigkeit des die Schrauben umgebenden Knochens um.

3. Simulation der Schraubenbelastung mittels Finite-Elemente-Analyse

Das Modell simuliert, wie sich Kräfte durch den Knochen um jede Schraube verteilen und bestimmt lokale Spannungen.

4. Risikobewertung erstellen 

Das System berechnet, wie nah der Knochen seinem Versagenspunkt bei normalen Aktivitäten wie Stehen ist. Diese biomechanische Kennzahl wird dann mit unserer klinischen Datenbank verglichen, um eine patientenspezifische Risikobewertung für Schraubenlockerung zu generieren.

Abbildung 1: Arbeitsablauf der entwickelten Modellierungspipeline.

Klinische Vorteile

Dieser biomechanische Ansatz bietet mehrere Vorteile gegenüber traditionellen Knochendichtemessungen:

  • Umfassendere Bewertung: Anstatt nur die Knochenqualität zu messen, berücksichtigt das Modell sowohl die Knochenfestigkeit als auch die tatsächlichen Kräfte, die jede Schraube aushalten muss.
  • Patientenspezifische Vorhersagen: Jede Analyse wird auf die Anatomie, das Körpergewicht und das geplante chirurgische Konstrukt des Individuums zugeschnitten.
  • Automatisiert und effizient: Die gesamte Analyse läuft automatisch in wenigen Minuten ab und ist damit für den klinischen Einsatz praktikabel.
  • Umsetzbare Erkenntnisse: Durch die Bereitstellung detaillierter Risikobewertungen vor der Operation kann das Modell Chirurgen helfen, Schraubenplatzierung und -dimensionen zu optimieren, Fälle zu identifizieren, die Knochenzement zur Verstärkung erfordern, und letztendlich Schraubenlockerungskomplikationen zu reduzieren und langfristige Ergebnisse zu verbessern.
     

Proof-of-Concept-Planungslösung

Um das klinische Potenzial unseres biomechanischen Modellierungsansatzes zu demonstrieren, entwickelten wir einen webbasierten Prototyp, der direkt in das patientenspezifische Simulationsframework integriert ist. Dieses Proof-of-Concept-Planungstool ermöglicht es Chirurgen, CT-Scans hochzuladen, chirurgische Pläne zu erstellen und automatisch personalisierte Risikobewertungen für jede geplante Schraube zu generieren. Die Benutzeroberfläche visualisiert Knochendichteverteilungen, vorhergesagte Spannungsverteilungen und Risikobewertungen in einem intuitiven Format, das die klinische Entscheidungsfindung unterstützt. Das interaktive Planungstool ist zugänglich unter: 
https://app.spineplanner.com/login
(Demonstrationsversion - nicht für den klinischen Einsatz)

Projektteam & Kooperationen

Dr. Marie-Rosa Fasser Dr. Marie-Rosa Fasser

Postdoktorandin

Gian Maranta Gian Maranta

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Dr. Tobias Götschi Dr. Tobias Götschi

Projektleiter

Marcos Costa Marcos Costa